Schulterschmerz: Schluss mit dem ständigen Ärger

„Schon lange habe ich Schmerzen in der Schulter, wenn ich über Kopf arbeite. Warum gehen die nicht mehr weg?“, fragt Heiner H. (52)

Wittke

Allgemein- und Sportmediziner Dr. Reinhard Wittke, Bayreuth
Der Facharzt für Allgemeinmedizin weiß aus eigener Erfahrung, wie häufig Schulterschmerzen in der hausärztlichen Praxis sind: „Problematisch ist, dass viele Betroffene sich erst spät entscheiden, einen Arzt aufzusuchen. So werden die Beschwerden verschleppt, weil die Patienten meinen, die Probleme würden von selbst wieder verschwinden. Doch das ist leider nur selten der Fall.“

Es antwortet: Dr. Reinhard Wittke, Allgemein- und Sportmediziner aus Bayreuth

Zu Beginn habe ich leider eine schlechte Nachricht für Sie: Ohne Behandlung verschwinden Ihre Beschwerden wahrscheinlich nicht mehr. Die erfreuliche Nachricht ist, dass Sie mit der richtigen Therapie gute Chancen auf eine schmerzfreie Schulter haben. Zunächst jedoch ist es entscheidend, das Gelenk gründlich zu untersuchen.

Für Schulterschmerzen kommen die unterschiedlichsten Ursachen infrage – unter anderem Kalkablagerungen in Schultermuskeln, Nackenverspannungen oder Bandscheibenvorfälle an der Halswirbelsäule. Bei Ihnen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Beschwerden nicht im Schultergelenk, sondern darüber, im Acromio-Clavicular-Gelenk (AC-Gelenk), ihren Ausgang nehmen. Denn wenn dieses verschleißt, treten typischerweise die von Ihnen beschriebenen Schmerzen bei Überkopfbewegungen auf. Sie lassen sich auch auslösen, indem man mit den Fingern der betroffenen Seite die gegenüberliegende Schulter berührt. Dieser einfache Test hilft bei der Diagnosefindung.

Überlastung in Beruf und Freizeit

Neben altersbedingtem Verschleiß kommen auch außergewöhnliche Belastungen als Ursache für Abnutzung im AC-Gelenk in Betracht. So begünstigen etwa Sportarten wie Tennis oder Volleyball, bei denen der Arm oft gehoben wird, das Auftreten der Probleme. Gefährdet sind zudem Menschen, die häufig über Kopfhöhe arbeiten müssen – Mechaniker oder Maler zum Beispiel. Bei ihnen treten die Beschwerden oft schon ab dem 40. Lebensjahr auf, während sich altersbedingter Verschleiß vor allem ab 60 Jahren bemerkbar macht.

Tatsache ist: Schulterprobleme sind alles andere als selten. Allerdings nehmen die meisten Betroffenen nicht sofort ärztliche Hilfe in Anspruch, sondern versuchen lange, mit den Beschwerden zurechtzukommen – immer in der Hoffnung, diese würden von selbst wieder verschwinden. Anfangs gelingt es noch leicht, die Schmerzen zu meiden: Die Betroffenen verzichten einfach auf Überkopfbewegungen. Doch ohne Therapie schreitet die Erkrankung voran: Nach einiger Zeit schmerzt die Schulter auch nachts, später zusätzlich tagsüber.

Ohne Behandlung nehmen altersbedingter und belastungsabhängiger Verschleiß im AC-Gelenk immer diese Entwicklung. Dabei geht das feine Kräftegleichgewicht verloren zwischen der Rotatorenmanschette, einem Paket aus vier Muskeln, die den Oberarmkopf in Idealposition halten, und dem großen Deltamuskel, der ihn bei Bewegungen aus der Position zieht. Besonders bei Überkopfbewegungen macht sich nun das Übergewicht des Deltamuskels bemerkbar: Der Oberarmkopf drückt einen Schleimbeutel und die Sehne des Supraspinatus-Muskels gegen den knöchernen Überbau des Schulterblatts, das AC-Gelenk.

Operation oder Krankengymnastik

Diese Einklemmung, die Ärzte Impingement nennen, führt zur Entzündung von Schleimbeutel und Sehne. Bei manchen Patienten bildet sich in der Folge ein Knochensporn, der meist eine Operation erfordert. Bei dem Eingriff entfernt der Arzt die knöcherne Wucherung und trägt einen Teil des knöchernen Überbaus ab, um Sehne und Schleimbeutel zu entlasten. Die Beschwerden gehen dann zurück.

Bei Patienten ohne Knochensporn hilft dagegen fast immer Krankengymnastik. Ziel ist es, die Rotatorenmanschette zu stärken, die Muskeln also, die den Oberarmkopf zentrieren. Gelingt dies, nehmen die Schmerzen allmählich ab und verschwinden schließlich vollständig. Eine konsequente Kräftigung – begleitet von zusätzlichen Maßnahmen wie Kältebehandlung, Elektrotherapie, entzündungshemmenden Tabletten, Salben und manchmal auch Spritzen – lässt das Impingement-Syndrom bei über drei Viertel der Patienten folgenlos ausheilen. Kurze Beschreibungen von Beispielübungen finden Sie am Ende des Artikels. Anfangs sollte mit einem Physiotherapeuten trainiert werden.

Gefahr eines Sehnenrisses

Doch Vorsicht: Wer die Beschwerden zu lange erträgt, riskiert eine schwere Verletzung. Da die chronische Entzündung das Gewebe schwächt, führt mitunter schon eine unbedeutende Belastung dazu, dass die Sehne reißt. Ein solcher Riss der Rotatorenmanschette macht meist einen Eingriff mit anschließender mehrwöchiger Ruhigstellung des Gelenks nötig. Nur das Nähen der Sehne garantiert, dass die Schulter in Beruf und Freizeit weiterhin ausreichend belastbar ist.

Drei einfache Übungen für die Schulter

1. Schulter nach außen drehen

Der Oberarm liegt am Körper an. Der Rücken ist gerade, die Schulterblätter ziehen Sie nach hinten unten. Spannen Sie Ober- und Unterarmmuskulatur an. Drehen Sie den gebeugten Unterarm langsam nach außen, dann wieder nach innen. Machen Sie drei Durchgänge mit jeweils zwölf Wiederholungen.

2. Schulter nach hinten ziehen

Der Rücken ist gerade. Nun ziehen Sie die Schulterblätter nach hinten unten. Beugen Sie den Ellenbogen und spannen dann die Armmuskeln an. Schieben Sie den Ellenbogen langsam nach hinten, ohne die Schulter anzuheben. Wieder sollten Sie dreimal zwölf Wiederholungen machen.

3. Schulter heben

Sie stellen sich gerade hin. Zunächst drücken Sie die Schulter nach hinten unten, dann ziehen Sie sie nach oben. Jede Position halten Sie fünf Sekunden lang. Drei Durchgänge mit je zwölf Wiederholungen reichen. Fortgeschrittene können mit Gewichten trainieren.

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto:W&B/Frank Boxler