Blasenschwäche unter Kontrolle

„Ich habe schon seit Langem eine leichte Blasenschwäche. Nun stört mich das, weil ich einen Tanzkurs mache. Viele Bekannte haben solche Probleme, aber fast alle meinen, das sei im Alter eben so. Kann man wirklich nichts tun?“, fragt Marianne R. (72)

Pointinger

Es antwortet Dr. Albert Pointinger, Hausarzt aus Plößberg:

Gegen Harnverlust, die „Harninkontinenz“, lässt sich fast immer etwas tun. Zumindest eine Besserung ist möglich. Entscheidend ist aber der persönliche Leidensdruck. Millionen überwiegend ältere Menschen leben in Deutschland mit leichten Formen von Blasenschwäche. Für viele ist das nicht mehr als eine Belästigung, die sie mit Spezialprodukten wie Vorlagen im Griff haben. Sie verspüren kein Bedürfnis nach einer Therapie.

Anders ist es, wenn jemand so wie Sie unter dem Harnverlust leidet. Dann kann auch eine leichte Inkontinenz ein Problem darstellen, wenn der Betroffene nicht mehr in dem Maß am sozialen Leben teilnehmen kann, wie er es sich wünscht. Diese Patienten sollten sich nicht scheuen, ihren Hausarzt direkt darauf anzusprechen.

Falsche Behandlung kann es schlimmer machen

Inkontinenz kann verschiedene Ursachen haben. Die Therapie muss darauf abgestimmt sein, sonst wirkt sie nicht oder verschlimmert den Harnabgang sogar. Eine sorgfältige und umfassende Diagnostik ist daher das A und O. Dazu gehört nicht nur, den Schweregrad der Inkontinenz zu bestimmen. Der Arzt sucht auch nach Harnwegsinfekten und klärt ab, ob Restharn in der Blase bleibt. Mit einer Ultraschalluntersuchung kann er die organische Ursache oft gut eingrenzen. Bei Männern ist es unerlässlich zu prüfen, ob eine Verengung des Blasenauslasses vorliegt, denn dahinter steckt meistens eine Vergrößerung der Prostata. Die Diagnose lautet am Ende der Untersuchungen oft „Belastungsinkontinenz“ oder „Dranginkontinenz“. 20 bis 30 Prozent der Patienten leiden an einer Mischform.

Bei Frauen oft Belastungsinkontinenz

Belastungsinkontinenz betrifft überwiegend Frauen: Harn geht ab, wenn der Beckenboden einer Druckbelastung ausgesetzt ist – sei es durch Niesen, Heben oder eine schnelle Bewegung. Die Ursachen sind ein schwacher Schließmuskel der Harnröhre sowie geschwächte Muskeln und Bänder des Beckenbodens – durch Geburten, Unterleibsoperationen, Übergewicht oder schwaches Bindegewebe.
Anders bei Dranginkontinenz: Sie ist durch eine sensible oder überaktive Blase bedingt. Deren Muskeln ziehen sich zusammen, selbst wenn die Blase kaum gefüllt ist. Betroffene verspüren plötzlichen Harndrang. Manch einer schafft es dann nicht mehr zur Toilette. Bei einigen Patienten – darunter viele Diabetiker – sind zudem Nerven geschädigt. Sie spüren den Reiz nicht mehr.

Patient kann selbst viel tun

Gegen leichtere Belastungsinkontinenz kann Beckenbodentraining helfen. Allerdings fällt es einem Großteil der Menschen schwer, die Muskeln in ihrem Beckenbereich zu spüren. Die Übungen sollten daher unter fachkundiger Anleitung erlernt werden. Auch eine Gewichtsabnahme ist hilfreich. Bei einer leichten Dranginkontinenz schafft ein Blasentraining mit regelmäßigem Toilettengang eine gewisse Erleichterung. Entspannungsübungen unterstützen die Therapie.

Bei schwerer Inkontinenz kommen verschiedene Behandlungen in Betracht – von Medikamenten bis zu Operationen. Wie bereits erwähnt, ist es entscheidend, die Ursachen genau zu berücksichtigen. Unter Umständen kristallisiert sich die geeignete Therapie erst nach einiger Zeit heraus. So können Medikamente gegen Dranginkontinenz ein Restharnproblem verschärfen. Die Verlaufskontrolle ist daher wichtig.

Bei Warnsignalen sofort zum Arzt

Unabhängig davon, wie sehr jemand unter der Inkontinenz leidet, sollte bei zwei Problemen immer ein Arzt aufgesucht werden: zum einen, wenn das Wasserlassen brennt, sticht oder zieht. Das kann auf einen Harnwegsinfekt hindeuten. Zum anderen, wenn der unfreiwillige Harnabgang so stark ist, dass er sich nur noch mit einer Inkontinenzwindel auffangen lässt. Es gilt dann, eine sogenannte Überlaufblase auszuschließen, denn sie kann unter Umständen einen Urinstau auslösen. Weitet sich dieser zu einem Nierenstau aus, hat das mitunter lebensbedrohliche Schäden an dem Organ zur Folge.

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto:W&B/Frank Boxler