Gerinnungshemmer: Kritische Dosisfindung

„Ich nehme Gerinnungshemmer. Früher wurde der Quick-Wert kontrolliert, nun der INR. Was steckt dahinter?“, fragt Johanna E. (68)

Ledig

Hausarzt Dr. Thomas Ledig, Ditzingen
Der Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin an der Universität Heidelberg engagiert sich für die Weiterbildung von Arzthelferinnen, unter anderem über Gerinnungsmessung. Selbst mit den Methoden, die einer Praxis zur Verfügung stehen, sind Fehler nicht 100-prozentig ausgeschlossen. Wachsamkeit ist besonders wichtig.

Es antwortet Dr. Thomas Ledig, Hausarzt aus Ditzingen:

Bei der Messung des Quick-Werts hängt das Ergebnis stark vom verwendeten Testsystem ab. Das heißt, derselbe Patient kann mit unterschiedlichen Systemen verschiedene Werte angezeigt bekommen, obwohl die Gerinnungszeit gleich ist. Das birgt das Risiko von Fehlern bei der Medikamentendosierung, etwa wenn der Quick-Wert zu Hause bei 33 Prozent lag und bei einem anderen Arzt – zum Beispiel im Urlaub – bei 45 Prozent.

Vergleichbare Werte

Um eine sichere Bewertung zu gewährleisten, müssen die Gerinnungswerte vergleichbar sein. Die Welt-Gesundheits-Organisation hat diese Forderung vor einigen Jahren mit dem INR-Wert (International Normalized Ratio) erfüllt. Seither lässt sich jeder Quick-Wert mit einem Umrechnungsfaktor, der vom Testsystem abhängt, in einen INR umrechnen.

An der Messung selbst hat sich dadurch nichts geändert. Der Patient gibt Blut ab. Dann wird die Aktivität verschiedener „Gerinnungsfaktoren“ ermittelt. Diese Stoffe werden vorwiegend in der Leber gebildet und sind für den Ablauf der Gerinnung entscheidend. Wird ihre Bildung durch Arzneien gedrosselt, verklebt das Blut langsamer. Diese „Verdünnung“ ist wichtig bei erhöhtem Thrombose-Risiko – vor allem bei Vorhofflimmern, zur Vorbeugung von Schlaganfällen oder bei Verschlüssen der Beinvenen.

Salat kann Arzneien beeinflussen

Bei der Therapie kommt es auf eine genaue Anpassung der Blutgerinnung an. Bei zu hoher „Verdünnung“ drohen Blutungen, bei zu geringer wächst das Risiko, dass ein Gefäß verstopft. Um das Gleichgewicht zu wahren, kommen Patienten um eine engmaschige Kontrolle nicht herum. Die Wirkung der Medikamente hängt von vielen Einflüssen ab, deshalb muss die Dosierung immer wieder angepasst werden – zum Beispiel schon bei einer Vitamin-K-reichen Ernährung mit viel Salat. Aber auch Arzneien wie Antibiotika oder Johanniskraut beeinflussen die Blutgerinnung.
Für Patienten, die voll im Beruf stehen und viele Terminverpflichtungen haben, ist es vor diesem Hintergrund manchmal eine Erleichterung, die Werte selbst zu messen. Sie müssen dazu aber ein hohes Maß an Selbstdisziplin aufbringen und ihre Messtermine unbedingt einhalten. Eine weitere Voraussetzung ist eine Schulung.

Warnzeichen Nasenbluten oder blauer Fleck

Selbstmesser müssen die Handhabung der Geräte beherrschen, ihre Werte kritisch beurteilen und die Medikamentendosis selbst bestimmen können. Fehler – etwa durch falsche Lagerung der Teststreifen – sind schnell passiert. Davor schützt auch die Standardisierung durch den INR nicht.

Auch allen Patienten, die ihre Gerinnung beim Arzt bestimmen lassen, rate ich, sich selbst zu beobachten. Nasenbluten, mehr Blutergüsse oder Zahnfleischbluten sind Zeichen, dass mit der Medikamentendosierung etwas nicht stimmt. So etwas sollten Sie dem Arzt umgehend mitteilen.

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto: W&B/Thomas Rathay