Urlaub: Reisen ohne Risiko

„Ich will dieses Jahr im Herbst in den südamerikanischen Anden eine längere Bergtour machen. Was wäre die ideale Vorbereitung für mich?“, fragt Peter Ch. (54)

Huesmann

Hausarzt und Reisemediziner Dr. Jürgen Huesmann, Dortmund
Im Februar 2010 machte sich der Facharzt für Allgemeinmedizin auf nach Afrika, zum Kilimandscharo. „Nicht alle Teilnehmer unserer Reisegruppe sind bis auf den Gipfel gekommen“, erzählt der Reisemediziner. „Aber ich hatte mich nicht nur reisemedizinisch gut vorbereitet, sondern in den Monaten zuvor zusätzlich zum Lauf- auch ein Krafttraining absolviert. Das hat sich auf alle Fälle gelohnt.“

Es antwortet Dr. Jürgen Huesmann, Hausarzt aus Dortmund:

Sie haben sich ein wunderbares Reiseziel ausgesucht, keine Frage. Unzweifelhaft ist aber auch, dass die Tour in körperlicher Hinsicht eine Herausforderung wird. Angesichts der Belastungen, die im Anden-Gebirge zu erwarten sind, halte ich es für ausgezeichnet, dass Sie sich frühzeitig mit der Vorbereitung beschäftigen. Reisen, die körperliche Anstrengungen beinhalten, erfordern schließlich etwas mehr Aufmerksamkeit. Vermutlich ist es sogar sinnvoll, im Vorfeld spezifisch zu trainieren. So habe ich es zumindest gemacht, als ich vergangenes Jahr auf den Kilimandscharo gegangen bin.

Reisemedizinischer Rat

Viele Hausärzte bieten reisemedizinische Leistungen an. Sie stellen einen wichtigen Teil jeder Reisevorbereitung dar. Das gilt natürlich nicht nur, wenn jemand eine Bergtour in den Anden plant, so wie Sie. Selbst wenn es nicht so weit geht, kann diese Beratung sinnvoll sein. Schließlich lauern auch in einigen Gegenden Europas unerwartete Gefahren. Ich denke dabei beispielsweise an das Hepatitis-A-Risiko in Italien. Nicht die Distanz zwischen Heimat- und Urlaubsort bestimmt, ob eine reisemedizinische Beratung sinnvoll ist. Zur Orientierung sage ich meinen Patienten, je heißer und je weniger entwickelt ein Land, desto wichtiger ist es, vorher mit dem Arzt zu sprechen. So kann es etwa schon bei einem Pauschalurlaub in Ägypten ratsam sein, sich gegen Typhus impfen zu lassen. Egal, wohin es geht, ob eine Beratung erfolgen sollte, kann der Hausarzt am besten entscheiden.

Beginn der Vorbereitung

Bei Ihnen dauert es noch einige Monate bis zur Abreise. Zeitlich ist das perfekt für eine vernünftige Reisevorbereitung. Ich empfehle immer, spätestens vier bis sechs Wochen vor Urlaubsbeginn zur Beratung zu kommen. Sollten irgendwelche Impfungen nötig sein, bleibt dann noch genug Zeit dafür. Wer sich, wie Sie, auf der Reise eine stärkere körperliche Belastung zumuten möchte, sollte durchaus sechs Monate vorher zum Arzt gehen.

Route berücksichtigen

Idealerweise steht zum Zeitpunkt der Beratung die Reiseroute bereits fest. Um umfassend und aktuell über Risiken aufklären zu können, muss der Arzt genau wissen, wohin es geht. Manchmal sieht die Gefahrenlage bereits anders aus, wenn die Route ein paar Kilometer weiter im Norden oder Süden verläuft. Zum Beispiel Kreuzfahrten: Bei einem Ausflug ins Landesinnere besteht unter Umständen Malariagefahr, an der Küste dagegen nicht. Auch die Dauer und der Zeitpunkt der Reise spielen eine Rolle: Manchmal unterscheiden sich die Risiken im Winter und Sommer, in der Regen- und Trockenzeit.

Bei chronischen Krankheiten

Das Reisen gestaltet sich für chronisch Kranke heute viel einfacher als früher. Je nach Erkrankung gilt es aber bestimmte Dinge zu berücksichtigen. So sollten Menschen mit Brustenge (Angina Pectoris) ihr Nitrospray vor einem Flug bei der Fluggesellschaft anmelden, damit sie es problemlos im Handgepäck mitnehmen dürfen. Diabetiker wiederum müssen daran denken, dass ihr Insulinvorrat immer gekühlt ist – nicht immer lässt sich das einfach bewerkstelligen. Ich rate Urlaubern, Arzneimittel-Atteste mitzuführen, wenn sie regelmäßig Medikamente einnehmen. Sie werden im Rahmen einer reisemedizinischen Beratung ausgestellt. Arzneien sollten sie auf verschiedene Gepäckstücke verteilen, damit nicht der ganze Vorrat abhandenkommt, falls eine Tasche verloren geht. Zudem sollte man sich vor Reiseantritt über die medizinische Versorgung am Urlaubsort informieren. Von Vorteil kann auch eine Reiserückholversicherung (mit Telefon-Hotline) sein, die im Fall der Fälle den Rücktransport organisiert und übernimmt.

Impfungen

Ein Schwerpunkt der reisemedizinischen Beratung besteht in einer ausführlichen Impfberatung. Dabei geht es auch um Standardimpfungen wie Diphtherie und Tetanus. Womöglich sind schon zehn Jahre seit der letzten Immunisierung vergangen, sodass eine Auffrischung nötig ist. Auch an die Kinderlähmung (Polio) gilt es zu denken. In einzelnen Ländern tritt sie immer noch auf. Gegen viele Infektionskrankheiten – unter anderem Hepatitis A und B, Gelbfieber und Typhus – kann man sich impfen lassen. Anhand der geplanten Reiseroute beurteilt der Arzt, welche Impfungen erforderlich sind. Außerdem: Die wichtigste „Tropenkrankheit“ ist immer noch der Unfall. Sollte dann eine Behandlung erfolgen, bietet ein umfangreicher Impfschutz einen großen Vorteil. Darüber hinaus muss man wissen: Manche Länder verweigern Urlaubern die Einreise, falls diese bestimmte Impfungen nicht nachweisen. Daher stellt der gelbe Impfausweis bisweilen ein wichtiges Reisedokument dar. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen nicht nur die Auffrischung der Standardimpfungen, sondern auch einzelne Reiseimpfungen. Es empfiehlt sich, bei der Krankenkasse nachzufragen.

Reiseapotheke

Eine medizinische Grundausstattung mitzuführen ist immer wichtig. Doch verlassen Sie sich nicht auf die Empfehlungen, die Sie in Reiseführern finden. Meinen Patienten gebe ich dazu ein kleines Merkblatt mit auf den Weg. Zur Grundausstattung gehören für mich Medikamente gegen Durchfall, Übelkeit und Augenbindehautentzündung, ein Schmerzmittel und eine Jodsalbe. Auch Verbandmaterial, Einmalhandschuhe, eine Zeckenzange und ein Fieberthermometer sollten mitgenommen werden. Für die erweiterte Version empfehle ich zusätzlich unter anderem eine Splitterpinzette, Elektrolytlösungen für schweren Durchfall, eine Wundsalbe und außerdem ärztlich verordnete Antimalaria-Mittel und Antibiotika.

Training

Wer wie Sie plant, sich auf der Reise körperlich anzustrengen, sollte über eine ergänzende sportmedizinische Untersuchung nachdenken. Belastungstests ermöglichen es dem Arzt, eine exakte Trainingsplanung aufzustellen, damit Sie bis zur Abreise die nötige körperliche Fitness haben.

Sonnenschutz

Der Hauttyp bestimmt, wie lange sich jemand in der Sonne aufhalten kann, ohne dass die Haut dabei Schaden nimmt. Mit Sonnenschutzcremes lässt sich diese Zeit verlängern. Doch, egal wohin Sie reisen und egal wie hoch der Lichtschutzfaktor Ihrer Creme ist: Es gilt, raus aus der Sonne zwischen 11 und 15 Uhr!

Malaria-Schutz

Die Erreger der Tropenkrankheit Malaria können bei dem Stich der Anopheles-Mücke übertragen werden. In Risikogebieten ist daher ein umfangreicher Mückenschutz nötig. Dazu gehört neben heller, stichfester Kleidung auch ein Mückennetz zum Schlafen. Ich nehme stets mein eigenes mit, damit ich sicher sein kann, dass das Netz keine Löcher hat. Zudem imprägniere ich es vor der Reise mit einem mückenabweisenden Mittel. Unverzichtbar sind zudem Mückensprays. Manchmal müssen ergänzend Antimalaria-Mittel eingenommen werden. Welches infrage kommt, entscheidet der Arzt anhand des Reiseziels – denn inzwischen sind die Erreger in einigen Gegenden gegen bestimmte Arzneien resistent. Manche Tabletten sollen einen Tag vor dem Eintreffen im Risikogebiet eingenommen und erst sieben Tage nach dem Verlassen wieder abgesetzt werden. Selbst mit diesem medikamentösen Schutz bleibt ein geringes Infektionsrisiko bestehen. Daher muss man in den sechs Monaten nach der Reise bei jedem Fieber auch an eine mögliche Malaria-Infektion denken.

Verhaltenstipps

Bei der Anreise gilt die Aufmerksamkeit der Thrombosegefahr. Bei langen Busfahrten oder Langstreckenflügen gerät der Blutfluss in den Beinen ins Stocken. Die Gefahr steigt, dass sich dort Gerinnsel bilden – auch bei gesunden, jungen Menschen. Der Arzt kann das Risiko abschätzen: Für die meisten reicht es, wenn sie sich während der Reise etwas bewegen und ausreichend trinken. Andere, die aufgrund einer Gefäßkrankheit ein stark erhöhtes Risiko haben, müssen sich unter Umständen kurz vor dem Flug ein Mittel zur Blutverdünnung spritzen. Um Durchfall-Erkrankungen zu verhindern, sollte kein Leitungswasser getrunken sowie – selbst in Restaurants – auf Salate und Obst verzichtet werden. Vorsicht auch bei Eiswürfeln! Generell gilt: Nahrungsmittel stets nur gekocht oder gegart verzehren. Obst und Gemüse immer schälen.

Nach der Rückkehr

Eine Kontrolluntersuchung nach der Reise ist nur nötig, wenn Probleme wie Fieber oder Durchfall auftreten.

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto: W&B/Hubertus Blume