Gürtelrose: Tückisches Versteckspiel
„Vor Kurzem hatte ich eine Gürtelrose. Bin ich gegen die Krankheit jetzt immun?“ fragt Peter M. (63)

Allgemeinmediziner Dr. Robert Happe, Blomberg
Seit 25 Jahren arbeitet der Hausarzt im nordrhein-westfälischen Blomberg. Gürtelrose-Erkrankungen gehören zu seinem Praxisalltag. Oft genug schätzen Patienten die Erkrankung zu Beginn falsch ein. „Die Beschwerden am Rumpf deuten viele Betroffene im Anfangsstadium fälschlicherweise als Rückenschmerzen“, berichtet der Facharzt für Allgemeinmedizin.
Es antwortet Dr. Robert Happe, Hausarzt aus Blomberg:
Nein, das sind Sie nicht. Schuld daran, dass Ihnen das Varicella-Zoster-Virus immer noch etwas anhaben kann, ist die Eigenart der Erreger, ein Leben lang im Körper des Patienten zu bleiben: Nach einer Windpocken-Erkrankung im Kindesalter ziehen sie sich in Nervenzellen nahe der Wirbelsäule zurück und schlummern dort vor sich hin – manchmal jahrzehntelang. Denn normalerweise hält das Immunsystem die Eindringlinge in Schach, sodass sie weder Schaden anrichten noch Beschwerden hervorrufen. In Deutschland geht etwa 390.000 Mal pro Jahr dieses friedliche Nebeneinander verloren. Plötzlich werden die Erreger wieder aktiv, und die Betroffenen erkranken an einer Gürtelrose. Stress, Erkältung und chronische Erkrankungen scheinen dies zu begünstigen, doch die eigentlichen Gründe sind immer noch unklar. Vermutlich nutzen die Erreger Schwächen des Abwehrsystems aus. Da diese im Alter häufiger sind, könnte das erklären, warum zwei Drittel aller Gürtelrose-Patienten älter als 50 sind. Ihren Namen hat die Gürtelrose übrigens davon, dass Rückenmarksnerven scharf begrenzte Hautabschnitte, sogenannte Dermatome, versorgen. Da diese am Rumpf ringförmig verlaufen, schlingt sich der Ausschlag wie ein Gürtel um den Körper.
Nach vier Wochen abgeheilt
Die aktivierten Viren vermehren sich und gelangen über die Rückenmarksnerven, die sie infiziert haben, bis in die Haut. Dort befallen sie die Horn bildenden Zellen der obersten Hautschicht, die Keratinozyten. Der typische Ausschlag mit den rötlichen Bläschen ist die Folge. Da sie viele Viren enthalten, sollten sie wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr nie aufgestochen werden. Während sich die ersten Symptome wie Abgeschlagenheit, Fieber, Schmerzen, geschwollene Lymphknoten oder Hautbrennen oft nicht zuordnen lassen, ist der Ausschlag typisch für Gürtelrose und erlaubt eine eindeutige Diagnose. Bei der Behandlung kommen spezielle Cremes oder Salben zum Einsatz, um die Bläschen auszutrocknen und die Krusten zu lösen. Zudem werden die Viren mit Arzneien direkt bekämpft, mit sogenannten Virostatika. Diese wirken nicht nur gegen die Erreger, sondern lindern auch die Schmerzen. Schmerzmittel zum Einnehmen ergänzen die Therapie: Von der Schmerzintensität des Betroffenen hängt es ab, welcher Wirkstoff sinnvoll ist. Nach vier Wochen sollten mit diesen Maßnahmen Bläschen und Beschwerden verschwunden sein. Mitunter können naturheilkundliche Maßnahmen die Genesung unterstützen. Meiner Erfahrung nach verkürzen medikamentöse Blockaden von Nervenzellen nahe der Wirbelsäule sowie Infiltrationen der betroffenen Hautbereiche im Rahmen einer Neuraltherapie den Krankheitsverlauf und helfen, Komplikationen zu vermeiden.
Nicht immer harmlos
Denn leider verläuft die Krankheit nicht immer harmlos. Befallen die Viren beispielsweise die Augen, besteht die Gefahr zu erblinden. Lebensbedrohlich kann es werden, wenn sich die Erreger im ganzen Körper ausbreiten. Ein generalisierter Herpes – wie Mediziner dazu sagen – trifft vor allem Menschen, deren Immunsystem durch lange Therapien oder chronische Krankheiten geschwächt ist. Eine andere, äußerst unangenehme, aber häufige Komplikation ist die postherpetische Neuralgie. Sie ereilt etwa zehn Prozent der Erkrankten, ältere Patienten sogar noch häufiger. Die Betroffenen haben auch Monate nach der Gürtelrose noch Schmerzen. Am geringsten ist die Gefahr für Komplikationen, wenn die Therapie der Gürtelrose sehr früh beginnt. Als Patient sollten Sie daher bei einem verdächtigen Ausschlag sofort zum Arzt gehen.
Chronische Schmerzen vermeiden
Auf jeden Fall ist Vorsicht geboten. Sollten sich die Beschwerden vier Wochen nach der Erkrankung nicht deutlich bessern, kann eine Schmerztherapie nötig sein. Als wirksam haben sich Injektionen mit einem Betäubungsmittel in den Bereich der betroffenen Nerven erwiesen. Bleibt der Erfolg aus, sollte über eine umfassende Schmerztherapie nachgedacht werden. Im Gegensatz zu vielen anderen Infektionskrankheiten sind Menschen nach einer Gürtelrose nicht vor einem erneuten Varicella-Zoster-Ausbruch geschützt. Das gilt auch für Sie: In Ihrem Körper schlummern weiterhin die Viren. Werden sie eines Tages wieder aktiv, können Sie abermals erkranken.
Impfstoff in Sicht
Eine Möglichkeit, um vorzubeugen, zeichnet sich derzeit am Horizont ab: Seit 2009 ist in Europa ein Impfstoff gegen Gürtelrose zugelassen. Zwar bietet er keinen 100-prozentigen Schutz, doch laut Studien erkranken die Geimpften deutlich seltener. Bricht die Krankheit trotzdem aus, verläuft sie in den meisten Fällen milder und kürzer. Das Problem: Der Impfstoff ist schwierig herzustellen und voraussichtlich erst ab 2012 in Deutschland erhältlich.
Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto: W&B/Fritz Stockmeier