Operation: Wasser auf die Wunde

„Ich habe gelesen, dass man nach einer Operation fast sofort wieder duschen darf. Von früheren Krankenhausaufenthalten kenne ich das anders. Was stimmt?“, fragt Christel F. (67)

Blank

Allgemeinarzt Dr. Wolfgang Blank; Kirchberg im Wald
Wenn Hausarzt Dr. Blank Patienten mit Wunden frühzeitig das Duschen erlaubt, staunen viele. Die Lehrmeinung war früher eine andere, sagt der Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin an der Technischen Universität München.

Es antwortet Dr. Wolfgang Blank, Hausarzt aus Kirchberg:

Die Mehrzahl der Patienten empfindet es als Wohltat, nach einem Eingriff bald zu duschen. Nicht zuletzt darum hat sich auch die Wissenschaft mit dem Thema beschäftigt. Das Ergebnis einer Reihe von Studien: In den meisten Fällen können sich Patienten spätestens ab dem dritten Tag nach der Operation bedenkenlos abbrausen.

Wunden schließen sich schnell

Ihre Frage ist verständlich. Der Rat, direkten Wasserkontakt einer Wunde bis zum Fädenziehen zu vermeiden, wird oft gegeben. Er findet sich noch in vielen Lehrbüchern für Ärzte. Es handelt sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme. Krank machende Keime sollen von Wunden ferngehalten werden. Nach jeder Operation besteht ein geringes Risiko, dass sich eine Wunde infiziert. Studien der vergangenen Jahre zeigen nun: Der frühe Kontakt mit Wasser besitzt auf diese Gefahr interessanterweise keinen Einfluss. Eine normal heilende Wunde hat sich spätestens nach zwei Tagen so weit geschlossen, dass Bakterien oder andere Erreger nicht mehr eindringen können. Außerdem wird die Reinheit von Leitungswasser streng überwacht. Warum also nicht duschen, wenn Sie sich danach viel frischer fühlen? Sie müssen sich dabei nicht verrenken – und zum Beispiel ein verletztes Bein aus der Wanne strecken –, nur damit kein Wasser an die wunde Stelle gelangt. Spezielle wasserabweisende Pflaster oder Plastikhüllen sind meist ebenfalls überflüssig. Den Studien zufolge können Sie sogar den Wundverband zum Waschen einfach abnehmen und anschließend einen neuen aufkleben.

Ausnahmen von der Dusch-Regel

Wie bei jeder Regel existieren Ausnahmen: Patienten mit geschwächtem Immunsystem oder nach einer Organtransplantation müssen vorsichtiger sein. Bei der Körperpflege sollten sie die Wunde für mehrere Tage mit einer wasserabweisenden Folie schützen. Auch die Größe des verletzten Bereichs spielt eine Rolle. Ein umfassender Eingriff, etwa ein Kaiserschnitt, ist unter Umständen anders zu bewerten als kleine Wunden, wie sie zum Beispiel bei den Mini-Schnitten bei einem Leistenbruch entstehen. Doch nach größeren Operationen werden ohnehin die wenigsten Kranken sofort duschen wollen. Das gilt auch für Patienten mit einer Infusion oder einem Katheter im Körper. Im Zweifel sollten Patienten den Arzt fragen, ob die Wunde schon gut genug verheilt ist. Die meisten Infektionen treten zwischen dem dritten und fünften Tag nach einer Operation auf. Ein Pflaster- oder Verbandswechsel in diesem Zeitraum bietet dem Arzt die Möglichkeit zur Kontrolle. Selten entzündet sich eine Verletzung später.

Infektionen rechtzeitig erkennen

Als Patient sollten Sie auf Veränderungen achten. Rötungen oder ein roter Hof um die Wunde, Wärmegefühl, Schmerzen oder Schwellungen sind ein Grund, den Arzt aufzusuchen. Wichtig für Wunden an Fingern, Zehen, Handflächen oder Fußsohlen: Eine Infektion zeigt sich bisweilen durch Schwellungen am Hand- oder Fußrücken. Die Frage nach dem Duschen stellt sich übrigens auch bei einem Gips oder einer Schiene. Für den Gips gilt: Ist er aus dem klassischen Material, trocknet er nicht mehr, sobald er richtig nass wurde. Patienten sollen ihn daher zum Duschen mit einer Plastiktüte oder Folie umwickeln. Schienen wiederum lassen sich ablegen. Zuvor aber sollten Patienten abklären, ob sie das dürfen und den betreffenden Körperteil eventuell kurzzeitig belasten können. Falls nicht, lassen sich andere Lösungen finden – etwa mit einem Duschhocker.

Quelle: Wort&Bild Verlag; HausArzt-PatientenMagazin
Foto: W&B/Jens Küsters